
Quarantäne als Sicherheitsrepertoire
Ein Beitrag zur Reihe “Sicherheit in der Krise”
Essay
Sociopolis: Gesellschaft beobachten
2020
Social distancing, Isolation zu Hause, die Abschottung von Pflegeheimen, das Festsetzen von Schiffen, die Abriegelung ganzer Städte – in Zeiten von Corona sind Formen der Quarantäne gesundheitspolitisch das Mittel der Wahl. Weltweit sind Menschen durch Infektionsschutzmaßnahmen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Wenngleich die Dimension globaler Gleichzeitigkeit neu ist, lassen sich seit dem späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit unzählige historische Beispiele für den Einsatz von Quarantänen während epidemischer Krisen finden. Die Abschottung von kranken Menschen und gegen kranke Menschen hat geradezu überzeitlich Konjunktur. Quarantäne erscheint als konstantes gesundheitliches Sicherheitsrepertoire. Zwar wurden ihr im Laufe der Zeit andere Techniken zur Seite gestellt – bis hin zur rezenten digitalen Überwachung – das Grundprinzip aber, die Regulierung von Bewegung, hat Bestand. Alison Bashford, australische Historikerin und ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Quarantänegeschichte, hat diese Kontinuität jüngst noch einmal betont: Ärzte aus dem italienischen Ancona des 17. Jahrhunderts, aus Marseilles im 18., Hong Kong im 19. und New York im 20. Jahrhundert würden die gegenwärtigen Schutzmaßnahmen wohl, so Bashford, ohne weiteres wiedererkennen und ihren Zweck verstehen.